Zum 01.08.2021 sind umfangreiche Änderungen des anwaltlichen Berufsrechtes in Kraft getreten. Im einzelnen:
Der neue § 37 BRAO regelt, dass ein Schriftformerfordernis, auf Grund der BRAO, gegenüber Empfängern, die ebenfalls ein beA Postfach nutzen, durch Abgabe über das beA erfüllt wird. Für schriftformbedürftige Erklärungen nach BRAO entfällt damit das Erfordernis der qualifizierten elektronischen Signatur.
Die Vertretungs- und Urlaubsregelungen gemäß § 53 Abs. 1, 2 und 4 BRAO n.F. wurden gelockert. Künftig müssen Anwältinnen und Anwälte erst ab einer Abwesenheit von zwei Wochen eine Vertretung bestellen. Eine Anzeige bei der örtlichen Rechtsanwaltskammer ist hierfür nicht mehr erforderlich. Die Rechtsanwältin/der Rechtsanwalt muss jeweils selbst dafür Sorge tragen, dass seine Vertretung auch Zugang zu seinem beA bekommt. Dies ist beispielsweise durch Vergabe entsprechender Rechte im beA Postfach möglich.
Wie wir durch häufige Kundennachfragen feststellen können, beschäftigt die Änderung der Vertreterregelung die Kanzleien am intensivsten. Kanzleien, die beispielsweise zur Nutzung von beA in RA-MICRO Softwarezertifikate eingerichtet haben, müssen hier nichts weiter tun. Vorausgesetzt, der Vertreter hat mittels Softwarezertifikat Zugang zum beA.
In § 53 Abs. II heißt es: Die Vertretung soll einem anderen Rechtsanwalt übertragen werden.
Es dürfte daher auch zulässig sein, irgendeinem Vertreter den Zugang zur beA zu ermöglichen, also auch der angestellten Rechtsanwaltsfachangestellten. Das der vertretene Rechtsanwalt aus eigenem Interesse und zur Vermeidung von Haftungsfällen die Prüfung des Inhaltes von beA Nachrichten einem Volljuristen übertragen sollte, der dann gegebenenfalls durch Abgabe anwaltlicher Erklärungen auf die per beA eingegangenen Nachichten reagieren kann, ist selbstverständlich. Die Pflicht, einem Anwaltskollegen für die Zeit der Abwesenheit den Zugang zum beA einzurichten, können wir in § 53 BRAO nicht erkennen.
Wir sehen daher bei Kanzleien, die bereits durch uns zur Nutzung des beA beraten wurden, in den meisten Fällen keinen Handlungsbedarf. Kanzleien, die beispielsweise zur Nutzung von beA in RA-MICRO Softwarezertifikate eingerichtet haben, müssen hier nichts weiter tun. Der Zugang zum beA ist in diesen Fällen auch in Abwesenheit des Anwaltes möglich. Vorausgesetzt, der Vertreter hat mittels Softwarezertifikat Zugang zum beA. Die Prüfung der eingehenden Post durch einen Rechtsanwalt sollte natürlich auch hier erfolgen.
Für Syndikusanwälte sind die BRAO-Vorschriften zur Vertretung und zur Abwicklung von Kanzleien gem. § 46c BRAO künftig nicht mehr anwendbar, sodass auch hier die Vertreterbestellung bei Abwesenheit entfällt. Syndikusanwälte müssen nun einen Zustellungsbevollmächtigten benennen, sobald sie länger als eine Woche gehindert sind, ihren Beruf auszuüben. Auch dieser Zustellungsbevollmächtigte muss, wie beim niedergelassenen Rechtsanwalt, Zugang zum beA bekommen.
Eine weitere Neuerung betrifft die Belehrungspflicht des Kanzleipersonals: Über ihre Verschwiegenheitspflicht können die Angestellten künftig in Textform belehrt werden, die Schriftform ist nicht mehr erforderlich, vgl. § 43a Abs. 2 S. 4 BRAO.
Eine beA Haftungsfalle könnte sich bei Fehlinterpretation der Meldungen zur Änderung des § 37 BRAO ergeben. Auf vielen Internetseiten wird der Eindruck erweckt, die Übermittlung auf dem sicheren Übermittlungsweg beA zu beA ersetze grundsätzlich die Schriftform. Dabei wird übersehen, dass der Wortlaut des § 37 BRAO genau dies nicht vorsieht. Nach dem Wortlaut wird nur die Schriftform bei Schriftformerfordernis nach „diesem“ Gesetzt, der BRAO, durch die Zustellung im beA ersetzt.
Ob die Neufassung des § 37 BRAO Auswirkungen auf materiell rechtlichen Schriftformerfordernisse hat, darf bezweifelt werden. Da bereits die Regelung des 130a ZPO nach herrschender Meinung ein materiall rechtliches Schriftformerfordernis nicht erfüllt, ist dies bei einer Regelung in der BRAO erst recht zu verneinen.
So schreibt beispieslweise die BRAK unter https://brak.de/fuer-anwaelte/rechtsprechung/neue-brao-vertretungsregeln/ :
So erfüllt, wo das Gesetz die Schriftform vorschreibt, die Benutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) die Formanforderung, wenn Absender und Adressat über ein beA verfügen (§ 37 BRAO n.F.).
Wir halten die Darstellung der BRAK im beA Newsletter daher für falsch, oder zumindest mißverständlich. Das die BRAK mit dieser Darstellung zu Verunsicherung und möglichen Haftungsfällen beiträgt, ist für eine berufsständische Vertretung bedauerlich.
Das Anwaltsblatt des Anwaltverein äußert sich auf https://anwaltsblatt.anwaltverein.de/de/anwaeltinnen-anwaelte/berufsrecht/grosse-brao-reform zurückhaltend:
Das beA kann das Schriftformerfordernis ersetzen (§ 37 BRAO-E).
Im Ergebnis bleibt es nach unserer Auffassung bei der bewährten Empfehlung: lieber einmal zu viel signiert, als einmal zu wenig. Wir empfehlen unseren Kanzleien grundsätzlich, alle Schriftsätze zu signieren, um etwaiige Schriftformerfordernisse ohne jeden Zweifel zu erfüllen.